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Grüne Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia) (FOURCROY, 1785)
Artenprofil von Heide Gospodinova & H.-Willi Wünsch
Letzte Änderung: 12.08.2013


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Flußjungfern (Gomphidae)

Fotos (© H.-W. Wünsch)
Lippeauen (NRW) und Örtze (Niedersachsen)


(xxl-Foto)
20.08.2012
Männchen

(xxl-Foto)
22.08.2012
Männchen
 
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen



Grüne Keiljungfer - oben Weibchen, unten Männchen (Fotos © H.-W. Wünsch)

Die Grüne Flussjungfer ist die größte und kräftigste europäische Flussjungfer mit einer Körperlänge von etwa 5 Zentimetern. Ihre Flügelspannweite beträgt 6,5 bis 7,5 Zentimeter. Durch die leuchtende und kräftig grüne Färbung des Thorax ist die Art kaum mit anderen Flussjungfern zu verwechseln. Beide Geschlechter sind gleich gefärbt, zeigen also keinen Sexualdimorphismus. Ihr Hinterleib ist wie bei den anderen Flussjungfernarten typisch gelb-schwarz gefärbt. Dies zusammen verhilft der Art zu hervorragenden Tarneigenschaften in der Vegetation. Das Abdomen der Männchen ist an den Segmenten 7-9 keulig verdickt. Der Hinterleib der Weibchen verläuft bis zum 10. Segment zylindrisch gerade.

Lebensraum
Ophiogomphus cecilia ist typischerweise eine Bewohnerin großer bis mittelgroßer gut strukturierter Wasserläufe, die durch Ebenen und entlang von Vorgebirgen fließen. Gelegentlich werden auch Flussabschnitte, die stark begradigt wurden besiedelt. Insgesamt ist die Art jedoch als Indikator für naturnahe Verhältnisse an Fließgewässern anzusehen. So können die Gewässer in vollkommen offenem Grünland liegen oder teilweise von Gehölzen umstanden sein.



Typischer Lebensraum der Grünen Keiljungfer (Foto: 22.08.2012, H.-W. Wünsch, xxl-Foto, die „Örtze“ bei Feuerschützenbostel)

Optimal sind offenbar aufgelichtete, langsam fließende, Flüsse mit angrenzenden Wiesenabschnitten am einen Gewässerufer und mit gewässerbegleitenden Gehölzen am gegenüberliegenden Gewässerufer. In solchen Habitaten ist eine ausreichende Besonnung von mindestens einem Ufer gewährleistet. Am Ufer und in der näheren Umgebung wachsende Hochstaudenfluren werden von der Art toleriert und teilweise sogar genutzt.

Biologie und Lebensweise
Die Grüne Flussjungfer ist eine Art des Hochsommers. Der jahreszeitliche Beginn des Schlupfes der Art hängt von der jeweiligen Temperatur des Gewässers ab, in denen sich die Larven aufhalten. So kann in warmen Gewässern ein Schlupf schon Mitte Mai beobachtet werden. In sommerkühlen Bächen und Flüssen beginnt die Art erst im Juli zu schlüpfen.
Wie bei allen anderen Gomphiden findet der Schlupf in unmittelbarer Nähe zum Gewässer statt und dauert gegenüber der Emergenz anderer Großlibellenarten nur etwa eine Stunde (Zum Vergleich: Der Schlupf einer Blaugrünen Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) dauert etwa 4 Stunden!).



Männchen der Grünen Keiljungfer (Foto: 28.07.2011, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Dabei erfolgt die Imaginalhäutung in der Regel waagerecht, wobei sich die neue Libelle nach oben aus der alten Larvenhaut (Exuvie) schiebt. Aus dem Wasser ragendes Totholz wird hierzu gerne als Schlupfort angenommen. Ist eine waagerechte Emergenz nicht möglich, kann die Grüne Flussjungfer auch vertikal schlüpfen. Hierzu verankert sich die Larve an der Vegetation im sonnigen Uferbereich und klettert, nachdem sie sich aus der Exuvie befreit hat, an den Halmen der Vegetation nach oben. Schlüpfende Tiere können den ganzen Tag über beobachtet werden. Die ersten Tiere schlüpfen an warmen Tagen überwiegend ab 10:30 Uhr. Ist die Witterung entsprechend stabil können einzelne Individuen noch um 21:00 Uhr schlüpfen.

   

   

   

Schlupf der Grünen Keiljungfer, Exuvie (1), Männchen (2,4), Weibchen (3,5), leere Exuvienhüllen (6)
(Fotos: 26.07.2011 (3,5), 23.07.2011 (1-2,4,6), H.-W. Wünsch, xxl-Fotos per Fotoklick)

Ophiogomphus cecilia ist in ihrer Reifezeit eine stark vagabundierende Art, die sich bis zu drei Kilometern vom Schlupfgewässer entfernt um sich auf sonnenexponierten Wald- und Feldwegen zu sonnen und in deren Umgebung zu jagen. Nach Erreichen der Geschlechtsreife kehren die Tiere zum Gewässer zurück. Dort fliegen die Männchen in schnellem Flug in einer Höhe von 0,5-1,5 m über die Oberfläche der Fließgewässer und nutzen die Zweige von begleitenden Ufergehölzen als Ausguck auf der Suche nach Weibchen. Um Rivalenkämpfe wegen Revierstreitigkeiten zu vermeiden, halten die Männchen dabei einen respektvollen Abstand von 10 bis 20 m voneinander ein.

Ihre Hauptaktivität findet zwischen 10:00 und 16:00 Uhr statt. Die Weibchen fliegen vor allem in der Wiesenvegetation entlang der Flüsse und halten sich bis zu 400 m entfert vom Gewässer auf. Hier jagen sie und haben gleichzeitig ihr Rückzugshabitat. Um die Mittagszeit werden die Ufer der Flüsse angeflogen, wo die Männchen bereits auf sie warten.

Die Männchen ergreifen die paarungswilligen Weibchen im Flug. Ohne eine vorherige Tandemformation kommt es sofort zur Bildung eines Paarungsrades. Die eigentliche Paarung beginnt demnach im Flug und wird in hoher Vegetation sitzend, beendet. Über die Dauer der Paarung ist wenig bekannt. Unmittelbar danach fliegt das Weibchen in der Regel die dichte Ufervegetation an, um dort einen etwa erbsengroßen Eiballen auszupressen.



Weibchen der Grünen Keiljungfer mit Eiballen (Foto: 19.08.2012, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Derartige Situationen konnten bislang nur sehr selten beobachtet und dokumentiert werden (s. o.). Mit dem an seinem Hinterleibsende klebenden Eiballen fliegt das Weibchen zur Wasseroberfläche und taucht diesen unter wippenden Bewegungen ins Wasser ein. Die Eier lösen sich dabei nach und nach vom Weibchen ab und bleiben an der Unterwasservegetation haften.
Die aus den Eiern schlüpfenden Larven jagen nachtaktiv und ernähren sich von aquatilen Kleinorganismen, wie Bachflohkrebse und Eintagsfliegenlarven, Wasserasseln und Schnecken, die am Gewässergrund leben. Während ihrer larvalen Entwicklungszeit durchlaufen sie 12 Stadien, die jeweils mit einer Häutung abgeschlossen werden. Bis zu ihrer vollständigen Entwicklung zur Imago benötigen sie 3-4 Jahre.

Nahrung
Die Grüne Flußjungfer ist ein extrem schneller und gewandter Flieger, der ein breites Spektrum von Fluginsekten erbeuten kann. Fliegen, Mücken, Schnaken, Eintagsfliegen, Motten und selbst größere Schmetterlinge werden von der Art im Flug erbeutet. Zum Verzehr der Beute werden höhere Sitzwarten in den Bäumen angeflogen.

Verbreitung in D/Welt
Ophiogomphus cecilia ist eine ostpaläarktische Art mit Kernareal in Osteuropa. Sie besiedelt Asien von Kasachstan und Tadschikistan, bis in die Mongolei hinein und bis zum Baikalsee. In nördlicher Richtung erreicht die Grüne Flussjungfer als einzige ihrer Gattung den Polarkreis(!). Im Westen erstreckt sich das zusammenhängende Vorkommen über Russland und Polen nach Mitteleuropa. In Südwest- und Südeuropa gibt es nur noch inselartige Vorkommen der Art. Erstaunlicher Weise sind die Populationen der Art in den Niederlanden und in Luxemburg erloschen. In Frankreich gibt es noch einige Habitate mit kleinen Individuenzahlen am Mittellauf der Loire und ihren Nebenflüssen.



Weibchen der Grünen Keiljungfer (Foto: 22.08.2012, H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

In Deutschland belegen ältere Funde, dass sich die Art nur im Norden und Osten etablieren konnte. Hier wurden Vorkommen von der Elbe, der Oder und Neiße sowie aus der Lüneburger Heide gemeldet. Jüngere Belege stammen aus dem Alpenvorland und Mittelfranken. Hier wurde die Art an den Ufern des Lechs nachgewiesen. Streufunde existieren vom Oberrhein nahe Karlsruhe. Erfreulicher Weise scheint die Art jedoch in jüngerer Zeit in der Ausbreitung zu sein.

Verbreitung in NRW
Bis vor einiger Zeit galt die Grüne Flussjungfer in Nordrhein-Westfalen als "nicht vertreten". Im Rahmen aktueller Kartierungs- und Bestandserhebungsarbeiten eifriger und sachkundiger Libellenkundler stieß man vor einigen Jahren auf wenige Exemplare der Art, die an den Ufern der Lippe beobachtet werden konnten. Man hielt die Tiere zunächst lediglich für "eingeflogene Irrgäste", bis sich im Sommer 2012 durch Funde von Exuvien der Art am gleichen Ort zweifelsfrei die Bodenständigkeit der Art in NRW beweisen ließ.

Zuverlässigen Quellen zufolge wurden auch schon einige Exemplare an Abschnitten der Wupper gesichtet, an denen die Wasserqualität des Flusses für diese Art noch ausreicht. Einer weiteren Entwicklung des Bestandes in Nordrhein-Westfalen wird mit Spannung entgegengesehen, da in den Lippeauen nahe der Stadt Soest bereits umfangreiche Renaturierungsarbeiten stattgefunden haben.
Ophiogomphus cecilia ist eine streng zu schützende Flussjungfernart für die gemäß FFH (Fauna-Flora-Habitat)-Richtlinien gemäß Anhang II eigens Schutzgebiete auszuweisen sind. Sie wird in der Roten Liste für bedrohte Tierarten in Deutschland in der höchsten Stufe 1 = "vom Aussterben bedroht" geführt.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer - Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart. 279 S.

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GERKEN, B. & K. STERNBERG (1999): Die Exuvien europäischer Libellen. Höxter, Jena: Arnika & Eisvogel

GESKE, C.; B. HILL, L. MÖLLER, H.-J. ROLAND & S. STÜBING (2011): Atlas der Libellen Hessens Band 1; Hessen-Forst FENA. 184 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland, Geländeschlüssel. Buch u. DVD. NABU-Landesverbände: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern

HOLZINGER, W. & B. KOMPOSCH (2012): Die Libellen Kärntens. Sonderreihe Natur Kärnten, Band 6. Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Klagenfurt, 336 S.

JURZITZA, G. (2000): Der Kosmos-Libellenführer. Stuttgart: Franckh-Kosmos

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart.

RACKOW, H. (2005): Beobachtungen zum Paarungs- und Eiablageverhalten von Ophiogomphus cecilia an der Lauter (Rheinland-Pfalz), Mercuriale Band 5, Seite 5 ff.

SCHMID, F. (2009): Erstnachweis der Grünen Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) an der Baden- württembergischen Donau. Mercuriale Band 9, Seite 33 ff.

STERNBERG, K. & BUCHWALD, R. (2000): Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1, Kleinlibellen, S. 270 ff.

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.

WILDERMUTH, H., (2010): Wissenschaftliche Arbeit zum Thema "Waldlichtungen als terrestrische Habitate von Libellen (Odonata)". ENTOMO HELVETICA 3: 7-24

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 1, Kleinlibellen, 4. aktualisierte Auflage.


Internet: www.waldschrat-online.de: Die Libellen Nordrhein-Westfalens.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreis zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.waldschrat-online.de: Libellen und andere Artengruppen Nordrhein-Westfalens in Bild und Text (mit Schwerpunkt NSG Wahner Heide bei Köln)

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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