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Zwerglibelle - Nehalennia speciosa (CHARPENTIER, 1840)
Artenprofil von Heide Gospodinova & H.-Willi Wünsch
Letzte Änderung: 15.05.2017


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Schlanklibellen (Coenagrionidae)

Fotos (© H.-Willi Wünsch)



(xxl-Foto)
Männchen
11.06.2014
   
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Informationen zum wissenschaftlichen Namen: Der Gattungsname "Nehalennia" verweist auf eine römisch-germanische Fruchtbarkeitsgöttin der Antike. Das Epitheton "speciosa" entstammt dem lateinischen "speciosus" und bedeutet etwa "sehenswert". Der deutsche Name weist auf die kleinste europäische Libellenart hin.

Nehalennia speciosa, die zu der Familie der Schlanklibellen zählt, ist von extrem zierlicher Gestalt. Mit einer Gesamtkörperlänge von maximal 2,6 cm stellt sie die kleinste Art unter den Libellen Europas dar. Ihre Flügel, die in der Spannweite etwa der Körperlänge entsprechen, erreichen in der Ruhestellung, bei der sie über dem Abdomen zusammengelegt werden, nur etwa 1,6 cm Länge.



Nahaufnahme eines Männchens von Nehalennia speciosa (Foto © H.-Willi Wünsch, 11.06.2014, xxl-Foto per Klick)

Junge Imagines weisen auf der Oberseite des Thorax und Abdomens eine blasse, metallisch grün schimmernde Färbung auf, die sich mit weiterem Lebensalter intensiviert.





Junges Weibchen (oben) und junges Männchen (unten) von Nehalennia speciosa
(Fotos © H.-Willi Wünsch, 26.07.2015 (W) & 26.04.2014 (M), xxl-Fotos per Klick)

Die anfangs noch milchigen, grau-beigefarbenen Augen färben sich mit zunehmendem Alter bei den Männchen blau und bei den Weibchen zunächst rötlich braun bis hin zu grün.



Reifes Weibchen von Nehalennia speciosa (Foto © Heide Gospodinova, 11.06.2014, xxl-Foto per Klick)

Adulte Männchen verfügen über keine postokularen Flecken. Statt derer ist zwischen den Augen eine schmale hellblaue Linie sichtbar. Die Thoraxflanken sowie die Unterseite des Hinterleibs sind bei geschlechtsreifen Männchen ebenfalls blau. Auf den Abdominalsegmenten S-8 bis S-10 zeichnen sich leuchtend hellblaue Flecken ab. Die oberen Cerci der Männchen wirken überproportional groß. Die Flügelmale variieren in den Farben weiß, ockergelb und hellbraun.



Männchen von Nehalennia speciosa
(Foto © H.-Willi Wünsch, 11.06.2014, xxl-Foto per Klick)

Die Weibchen treten in drei verschiedenen Farbmorphen auf. Diese unterscheiden sich in der androchromen (männchenfarbenen) sowie in einer grünen und einer orangefarbenen Variante.
Hierdurch besteht eine geringe Verwechslungsgefahr mit der Kleinen Pechlibelle (Ischnura pumilio).





Männchen (oben) und Weibchen (unten) der Verwechslungsart Ischnura pumilio
(Fotos © Heide Gospodinova, 29.05.2014 (M) und 17.07.2016 (W), xxl-Foto per Klick)

Grundsätzlich ist die Zwerglibelle jedoch allein aufgrund ihrer geringen Größe unverwechselbar.

Beschreibung der Larven (nach BELLMANN, 2007):
Schlanke Larve mit 3 Kiemenblättchen am Körperende > alle Kiemenblättchen etwa gleich lang > Seitenadern in den Kiemenblättchen zweigen schräg ab > Hinterkopf abgerundet > Larven unter 13 mm lang, Kiemenblättchen apikal abgerundet, aber mittig in eine feine sehr kurze Spitze ausgezogen

Lebensraum
Die Zwerglibelle ist ein absoluter Lebensraumspezialist. Als Primärhabitate dienen ihr flache, stark besonnte und mäßig saure Übergangsmoore mit üppiger, niederer Ufervegetation, teilweisem Torfmoosvorkommen und sich daran anschließenden offenen Wasserflächen mit mäßigem oder geringem Baumbestand in unmittelbarer Nähe.





Lebensräume der Zwerglibellen (Foto © H.-Willi Wünsch, 11.06.2014, xxl-Fotos per Klick)

Neben Hoch- und Niedermooren werden auch gelegentlich Torfstiche als Sekundärhabitate, welche ähnliche Bedingungen wie die Primärbiotope aufweisen müssen, besiedelt.

Biologie und Lebensweise
Bei günstiger Witterung beginnt die Emergenzperiode von Nehalennia speciosa in der letzten Maidekade.



Frisch geschlüpfte Zwerglibelle (Foto © H.-Willi Wünsch, 07.06.2014, xxl-Foto per Klick)

Bis zum Erreichen ihrer Geschlechtsreife benötigen die Imagines bis zu zwei Wochen. Während dieser Reifezeit entfernen sie sich nicht sonderlich weit von den Ufern der Gewässer. Die recht ortstreuen Zwerglibellen gelten allgemein als nicht sehr flugfreudig. Bei optimalen Witterungsbedingungen verbringen sie die meiste Zeit des Tages inmitten dichter Gras- und Seggenvegetation sitzend. Hin und wieder steigen sie zu sehr kurzen Flügen auf, entweder um zu jagen oder um sich zu paaren.



Zwerglibelle als Opfer einer Gemeinen Streckerspinne (Tetragnatha extensa) (Foto © 09.06.2012, xxl-Foto per Klick)

Dabei können sie zur Beute von Spinnen, wie z. B. der Gemeinen Streckerspinne (Tetragnatha extensa) oder von größeren Libellenarten werden. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen, etwa bei Wind, Regen oder kühlen Temperaturen suchen die Tiere die Gräser in Bodennähe auf um dort Schutz zu suchen. Das gleiche Verhalten ist bei großer Hitze zu beobachten, wenn sich die Imagines in schattigen Bereichen verstecken.
Die Männchen warten in der niederen Ufervegetation sitzend auf vorbeifliegende Weibchen oder suchen mit Flügen von nur wenigen Sekunden Dauer aktiv nach einer paarungswilligen Partnerin. Wird diese gefunden, so koppelt sich das Männchen zunächst zu einer Tandemformation an das Weibchen an. Nach der Spermaübertragung zum sekundären Geschlechtsorgan wird das Weibchen vom Männchen durch ruckartige Bewegungen zur Paarung aufgefordert.



Zwerglibellen-Kopula (Foto © Norbert Steffan, 20.06.2016, xxl-Foto per Klick)

Nach der Bildung des Paarungsrades wird binnen etwa einer guten halben Stunde die Paarung sitzend vollzogen.



Zwerglibellen-Kopula (Foto © Norbert Steffan, 17.07.2013, xxl-Foto per Klick)

Die Eiablage erfolgt in der Regel erst geraume Zeit später und wird alleine vom Weibchen ausgeführt. Dabei werden die Eier in weiches, angefaultes Pflanzenmaterial eingestochen. Die aus den Eiern schlüpfenden und in ihrem Endstadium lediglich etwa 8 mm großen Larven leben zwischen dichter Unterwasservegetation und benötigen für Ihre Entwicklung in der Regel ein Jahr, gelegentlich aber auch zwei Jahre. Die Flugzeit der Zwerglibelle beginnt in den letzten Tagen des Mai. Die größten Individuendichten sind in den Monaten Juni und Juli zu beobachten. Danach nehmen die Populationen stark ab, bis die Flugzeit mit den letzten Tagen des August endet.
Da die Zwerglibelle aufgrund ihrer geringen Größe in der Lage ist, sich komplett hinter einem Grashalm zu verbergen, ist sie trotz ihrer leuchtenden Farben schwer zu finden und wird vermutlich häufig übersehen.

Nahrung
Aufgrund der unauffälligen und versteckten Lebensweise von Nehalennia speciosa zum Einen und ihrer geringen Größe zum Anderen dürften nur Kleinorganismen wie Fliegen, Mücken, Milben und kleine Zikaden in ihr Beuteschema passen.

Verbreitung in D/Welt
Die Zwerglibelle wird als ein euroasiatisches Faunenelement beschrieben. Ihr sehr lückenhaftes, inselartiges Vorkommen zieht sich von Mittel- und Nordosteuropa durch Sibirien bis nach Japan. Innerhalb Europas sind heute viele Populationen durch die Zerstörung ihrer empfindlichen Lebensräume erloschen. Andere sind akut vom Aussterben bedroht. In Deutschland existieren noch einige wenige Vorkommen in Brandenburg, Niedersachsen und im Alpenvorland. Aus Gründen des Natur- und Artenschutzes sollte auf eine nähere Beschreibung der Habitate nicht näher eingegangen werden.
Die Zwerglibelle wird in der aktuellen Roten Liste der bedrohten Libellenarten Deutschlands in der Kategorie RL 1 = als vom Aussterben bedroht geführt.

Verbreitung in NRW
Nehalennia speciosa gilt in NRW als ausgestorben. Der bislang letzte Nachweis der Art stammt aus dem Jahre 1960 (Rote Liste NRW, 2010). Infolge von stetig zunehmenden Entwässerungen von Mooren in den letzten Jahrzehnten existieren für die Zwerglibelle in NRW keine adäquaten Lebensräume mehr. Insofern ist mit einem Wiederfund dieser Spezies hierzulande wohl nicht zu rechnen.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

BROCHARD, C.; D. CROENENDIJK, E. VAN DER PLOEG & T. TERMAAT (2012): Fotogids larvenhuidjes van libellen / druk 1. KNNV, Uitgeverij. 224 S.

BROCKHAUS, T., H.-J. ROLAND, T. BENKEN, K.-J. CONZE, A. GÜNTHER, K. G. LEIPELT, M. LOHR, A. MARTENS, R. MAUERSBERGER, J. OTT, F. SUHLING, F. WEIHRAUCH & C. WILLIGALLA (2015): Libellula Supplement 14: Atlas der Libellen Deutschlands (Odonata).

DIJKSTRA, K.-D. B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland, ein Geländeschlüssel. Buch u. DVD.

JURZITZA, G. (2000): Der Kosmos-Libellenführer, Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co., Stuttgart

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

MENKE, N.; C. GÖCKING; N. GRÖNHAGEN; R. JOEST; M. LOHR; M. OLTHOFF & K.-J. CONZE unter Mitarbeit von C. ARTMEIER, U. HAESE & S. HENNIGS, mit Beiträgen zahlreicher Libellenkundler (2016): Die Libellen Nordrhein-Westfalens, Verbreitungsatlas.

OTT, J. & W. PIPER (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). In: Binot, M., R. Bless, P. Boye, H. Gruttke & P. Pretscher: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Schr.-R. Landschaftspfl. u. Natursch. 55: 260-263

ROTE LISTE und Artenverzeichnis der Libellen - Odonata - in Nordrhein-Westfalen (2010): 4. Fassung, Stand April 2010, Arbeitskreis Libellen NRW - Klaus-Jürgen Conze, Nina Grönhagen unter Mitarbeit von Edgar Baierl, Andreas Barkow, Ludger Behle, Norbert Menke, Matthias Olthoff, Eva Lisges, Mathias Lohr, Martin Schlüpmann und Eberhard Schmidt - PDF

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer Verlag. 534 ff.

WENDLER, A. & J.-H. NÜß (1992): DJN Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung - Libellen.

WILDERMUTH, H. & A. MARTENS (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. 824 Seiten, Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co. Wiebelsheim

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus. CD-ROM, Band 1 & 2 Ausgabe 2014


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein

waldschrat-online.de: Foto- und Infoseite für alle Libellenfreunde und solche, die es noch werden wollen. Blog, Fotos, Artenprofile, Exkursionsberichte uvm.

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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