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Gemeine Binsenjungfer - Lestes sponsa (HANSEMANN, 1823)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
Letzte Änderung: 18.10.2014


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Teichjungfern (Lestidae)

Fotos (© H. Gospodinova (2) & H.-W. Wünsch (1))
Neffelbachauen (Zülpich)


(xxl-Foto)
adultes
Männchen

(xxl-Foto)
altes
Weibchen
 
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Erklärungen zum wissenschaftlichen Artnamen: "Lestes" (gr.) = Räuber und "sponsa" (lat.) = Verlobte, Braut. Der wissenschaftliche Name bezieht sich vermutlich darauf, dass das Männchen von der Paarung bis zum Ende der Eiablage an das Weibchen angekoppelt bleibt und dieses "überwacht". Der deutsche Artname weist darauf hin, dass sie die hierzulande am häufigsten vorkommende Teich- oder Binsenjungfernart ist.

Die Gemeine Binsenjungfer ist die wohl häufigste der in Europa vorkommenden 8 Teichjungfernarten. Ihre Flügel sind in Ruhestellung halb geöffnet. Die Jungtiere schimmern in einem metallischen Grünton. Im Verlauf ihres Lebens durchlaufen sie ein großes Farbspektrum und dunkeln im Alter nach, wo sie dann einen dunklen Kupferton annehmen.



Altes Männchen der Gemeinen Binsenjungfer (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Anhand der Hinterleibsanhänge sowie der blauen Wachsbereifung auf dem zweiten Segment des Hinterleibes kann man die Männchen der Gemeinen von jenen der Glänzenden Binsenjungfer gut unterscheiden. Dieses Segment ist bei der Gemeinen Binsenjungfer vollständig blau bereift, während sich die Bereifung bei den Männchen der Glänzenden Binsenjungfer nur über die vorderen zwei Drittel des 2. Hinterleibssegmentes erstreckt.



Hinterleibsende der Gemeinen Binsenjungfer: Oben Weibchen (Ovipositor mit Ei), unten Männchen (Fotos: H. Gospodinova)

Die unteren Hinterleibsanhänge sind stiftförmig gerade, die der Männchen der Glänzenden Binsenjungfer löffelförmig verbreitert und nach innen gebogen.
Um die Art bei beiden Geschlechtern anhand von guten Fotos zweifelsfrei bestimmen zu können, sollten die Männchen daher möglichst von oben aufgenommen werden.

 
 

Männchen der Gemeinen Binsenjungfern: 1 - jung, 2 - reifend, 3 - adult, 4 - alt (Fotos: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Die Augen der Männchen sind anfangs braun, wechseln dann zu einem kräftigen Himmelblau und dunkeln im Alter stark nach. Die der Weibchen sind im Jungstadium braun und bei adulten Tieren zweifarbig; oben dunkelbraun und unten beige. Unter den Weibchen kommen auch homoeochrome (männchenfarbene) Varianten vor, die sich entsprechend den Männchen ähnlich farbig entwickeln.



Dieses Weibchen der Gemeinen Binsenjungfer ist gefärbt wie ein Männchen (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Bei den Weibchen gestaltet sich die Abgrenzung der beiden Arten recht schwer. Die Weibchen der Gemeinen Binsenjungfer sind nicht so kräftig gebaut wie ihre nächste Verwandte, die Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas). Das Ende des Legeapparates schließt mit dem Ende des 10. Abdominalsegmentes auf gleicher Höhe ab. Bei dem etwas kräftiger ausgebildeten Legeapparat der Weibchen der Glänzenden Binsenjungfer ragt dieser deutlich über das Ende des 10. Hinterleibssegment hinaus. Bestimmungsfotos sollten von den Weibchen im Profil angefertigt werden, da nur so die artspezifischen Merkmale des Legeapparates zu erkennen sind.

Körperlänge: 35 mm (durchschnittlich)
Flügelspannweite: 40 mm

Lebensraum
Die Gemeine Binsenjungfer ist eine sehr gesellig lebende Libelle. Eine Population kann aus mehreren hundert Individuen bestehen. Ihr Erfolgsrezept ist ihre Fähigkeit, sich relativ schnell an veränderte Umweltbedingungen anpassen zu können. Bevorzugte Lebensräume der Art sind gut besonnte, stehende Gewässer mit einer üppigen Überwasservegetation, welche vom Ufer aus noch einen Teil ins Wasser hineinragt.



Typisches Habitat der Gemeinen Binsenjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Oft sind dies kleinere bis mittelgroße Teiche und Weiher. Größere Gewässer werden nur dann besiedelt, wenn sie ebenfalls eine dichte und niedere Ufervegetation in Form von Binsen und vergleichbaren Strukturen aufweisen. Freie Wasserflächen größerer Seen werden gemieden.
Die Art toleriert leicht brackiges Wasser, sofern geeignete Vegetation vorhanden ist. Torfstiche, breite Moorgräben, und Fließgewässer stellen nur die "zweite Wahl" als Lebensräume der Gemeinen Binsenjungfer dar.
Sollte ein Gewässer zwischen Ende Juli und Anfang April trockenfallen, so schadet es der Art nicht. So sind diese Libellen auch in der Lage Fischteiche zu besiedeln, deren Wasser über den Winter abgelassen werden.

Biologie und Lebensweise
Die Schlupfperiode und damit auch die Flugzeit beginnt Mitte Juni und endet etwa Anfang Oktober. Nach der Imaginalhäutung verlassen die jungen Libellen ihr angestammtes Gewässer. Ihre zwei- bis vierwöchige Reifezeit verbringen sie auf benachbarten Wiesen, Waldrändern und Lichtungen. Hier fliegen die Tiere in der Baum- und Strauchschicht bis in 6 m Höhe, wo sie auch ihre Nahrung erbeuten.



Junge männliche Gemeine Binsenjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Nach Erreichen der Geschlechtsreife kehren zunächst die Männchen zum Gewässer zurück. Die Weibchen folgen aufgrund ihrer etwas länger andauernden Entwicklung etwas später. Lestes sponsa lebt oft vergesellschaftet (Syntopie) mit anderen Teichjungfern wie der Kleinen Binsenjungfer (Lestes virens) der Südlichen Binsenjungfer (Lestes barbarus) und der Gemeinen Weidenjungfer (Lestes viridis). Bei einer entsprechend hohen Individuendichte der verschiedenen Arten und einem zusätzlichen Männchenüberschuss kommt es zur Hauptpaarungszeit daher öfters zu Fehlgriffen.



Artfremde Männchen-Verbindung zwischen Gemeiner Binsenjungfer und Gemeiner Weidenjungfer
(Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Dabei werden sowohl artfremde Männchen als auch Weibchen ergriffen. Da es in solchen Fällen nicht zur Bildung eines Paarungsrades kommen kann, werden die Verbindungen bald wieder gelöst.



Hier ist eindeutig ein Männchen der Gemeinen Binsenjungfer überzählig (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Während der Fortpflanzungszeit sind die Tiere schon zwischen 08:00 Uhr und 09:00 Uhr am Morgen am Gewässer aktiv. Bereits kurz nach 09:00 Uhr kann man die ersten Tandemformationen und Paarungsräder beobachten. Zu den ersten Eiablagen des Tages kommt es etwa gegen 11:00 Uhr.



Paarung der Gemeinen Binsenjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Bei der Paarung und der Eiablage der Art lassen sich, wie bei der Gemeinen Weidenjungfer (Lestes viridis) einige artspezifische Besonderheiten gegenüber anderen Teichjungfernarten erkennen. Vor der Bildung eines Paarungsrades säubert das Männchen die Geschlechtsöffnung des Weibchens sehr penibel. Damit werden etwaige Spermareste anderer Männchen gründlich entfernt. Danach erst findet die eigentliche Paarung sitzend an Pflanzenstängeln statt.



Spermaübertragung des Männchens der Gemeinen Binsenjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Nach der Paarung begleitet das Männchen sein Weibchen in Tandemformation zur Eiablage bis zu dem Gewässer. Hier setzten sie sich gemeinsam an einen Pflanzenstängel, an dem sie langsam abwärts rutschen.



Eiablage der Gemeinen Binsenjungfer (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Dabei sticht das Weibchen immer wieder seine Eier in das Mark der Pflanzen ein. Oft tauchen die Tiere bei der Eiablage gemeinsam unter und können bis zu einer halben Stunde vollständig unter Wasser bleiben. Die Eier überwintern in der Pflanze und halten Frosttemperaturen von bis zu -30°C problemlos stand. Sie entwickeln sich erst im nächsten Frühjahr.

Nahrung
Imagines: Die Gemeine Binsenjungfer ist ein kleiner, aber sehr erfolgreicher Räuber und verfügt über ein breites Nahrungsspektrum. Dieses reicht von im Flug erbeuteten kleinen Zikaden, Mücken und Fliegen, bis hin zu großen Schnaken, auf die sie sich stürzen.

 
 

Männliche Gemeine Binsenjungfern mit Falter, Zikade, Wanze und Schnake als Jagdbeute
(Fotos: H.-W. Wünsch (1-2) und H. Gospodinova (3-4), xxl-Foto per Bildklick)

Auch größere Beute wie tagaktive Nachtfalter werden überwältigt. Die messerscharfen Unterkiefer (Maxillen) sind sogar in der Lage die harten Chitinpanzer von Wanzen zu knacken. Kleinere, an den gleichen Lebensräumen lebende Libellenarten wie zum Beispiel die Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) passen ebenfalls in ihr Beuteschema.

Larven: Die Larven der Gemeinen Binsenjungfer gelten als sehr lebhaft und hoch aggressiv. Die Junglarven halten sich zunächst dort auf, wo sie geschlüpft sind. Ihre Dichte kann bis zu 500 Individuen auf einem m² betragen. Später verteilen sie sich dann und jagen kleine Organismen wie Wasserflöhe, Eintagsfliegen und Krebstierchen bis in größere Tiefen. Gegenüber Artgenossen zeigen sie erhöhte Aggressivität, sodass es häufig auch zu Kannibalismus kommt. Vor Fischen und jagenden Großlibellenlarven flüchten sie blitzschnell und verstecken sich regungslos in der Unterwasservegetation.

Besonderheit: Die Fressrate einer Larve der Gemeinen Binsenjungfer ist doppelt so hoch wie die einer Larve der Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) oder die einer Großen Pechlibelle (Ischnura elegans).

Verbreitung in D/Welt
Lestes sponsa ist von Westeuropa bis nach Sachalin und Japan verbreitet. In südlichen Gebieten fehlt die Art weitestgehend. In Europa zieht sich ein geschlossenes Verbreitungsgebiet von Irland bis zum Ural. Die südliche Grenze des Hauptverbreitungsgebietes liegt etwa auf einer Linie mit Nordspanien, Norditalien, Albanien, Bulgarien und der Türkei.



Junge weibliche Gemeine Binsenjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Nördlich verläuft es von Schottland über Mittelnorwegen zur Ostsee und über Finnland weiter nach Osten. Dabei kommt die Gemeine Binsenjungfer von den Niederungen bis in höhere Gebirgslagen vor. In den Alpen wurde die Art schon in Höhenlagen von 2.000 bis 2.500 m gefunden. Zu ihrer Hauptflugzeit ist die Art Mitte Juni an vielen kleineren bis mittleren Gewässern im gesamten Deutschland nahezu flächendeckend zu beobachten.

Verbreitung in NRW
Die Gemeine Binsenjungfer ist über die gesamte Niederrheinische Bucht, in Teilen der Mittelgebirge, der Eifel, im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen-Lippe weit verbreitet.

 

Männliche Gemeine Binsenjungfer: So unterschiedlich kann ein Fotomotiv aussehen. links geblitzt, rechts ohne Blitz
(Fotos: Axel Steiner, xxl-Foto per Bildklick)

In der ROTEN LISTE/Artenverzeichnis der Libellen (Odonata) in Nordrhein-Westfalen (2010) wird die Gemeine Binsenjungfer derzeit als ungefährdet geführt.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

BROCHARD, C., D. CROENENDIJK, E. VAN D. PLOEG, T. TERMAAT: Fotogids larvenhuidjes van libellen / druk 1. KNNV, Uitgeverij. 224 S.

DIJKSTRA, K.-D. B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland, ein Geländeschlüssel. NABU-Landesverbände: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg & Mecklenburg-Vorpommern. 374 S.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

OTT, J. & W. PIPER (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). In: Binot, M., R. Bless, P. Boye, H. Gruttke & P. Pretscher: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Schr.-R. Landschaftspfl. u. Natursch. 55: 260-263

RODENKIRCHEN, J. (2008): Facharbeit: "Die Libellenfauna der Feuchtgebiete am Neffelbach im Gebiet der Stadt Zülpich, Eifel". 9 S.PDF

ROTE LISTE und Artenverzeichnis der Libellen - Odonata - in Nordrhein-Westfalen (2010): 4. Fassung, Stand April 2010, Arbeitskreis Libellen NRW - Klaus-Jürgen Conze, Nina Grönhagen unter Mitarbeit von Edgar Baierl, Andreas Barkow, Ludger Behle, Norbert Menke, Matthias Olthoff, Eva Lisges, Mathias Lohr, Martin Schlüpmann und Eberhard Schmidt - PDF

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 2, Großlibellen (Anisoptera). Ulmer Verlag. 534 ff.

WILDERMUTH, H. & A. MARTENS (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas: Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. Quelle & Meyer, 824 S.

WILDERMUTH, H. (2010): Waldlichtungen als terrestrische Habitate von Libellen (Odonata). Entomo Helvetica, 3: 7-24 (entomohelvetica.ch - pdf)

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 2, Großlibellen, 4. aktualisierte Auflage.

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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


Zur Linkliste weiterer interessanter Libellen-Internetseiten auf www.natur-in-nrw.de