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Ameisengrille - Myrmecophilus acervorum (PANZER, 1799)
Artenprofil von Axel Steiner
Letzte Änderung: 11.12.2016


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Langfühlerschrecken (Ensifera)
Familie: Grillen (Gryllidae)

Fotos (© Axel Steiner)
Breckerfeld


(xxl-Foto)
20.07.2010

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20.07.2010

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20.07.2010
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

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20.07.2010

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20.07.2010

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20.07.2010
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen



Ameisengrille frontal (Foto © Axel Steiner, xxl-Foto)

Kleinste mitteleuropäische Heuschreckenart, deren Größe von maximal 3,5 mm in etwa mit einem etwas größeren Streichholzkopf zu vergleichen ist. Dunkelbraun gefärbter ovaler Körper mit 2 hellen Querbändern am Hinterrand des Pro- und Mesonotums; keine Flügel; relativ kurze Fühler (vermutlich als Anpassung an ein Leben in Erdgängen); keine Gehörorgane; keine Stridulationsorgane (Stridulation = Lauterzeugung durch sich reibende Körperteile); stark zurückgebildete Augen; die Schenkel (Femora) der Hinterbeine sind stark verdickt; die spindelförmigen Cerci stehen am Hinterleibsende rechtwinkelig zu beiden Seiten ab; die Legeröhre (Ovipositor) ist kräftig gebaut und 1,5-1,8 mm lang; Männchen sind bislang nicht nachgewiesen

Verwechslungsarten gibt es in Mitteleuropa nicht!.

Körpergröße: Weibchen: 2,5-3,5 (-4) mm

Lebensraum
Laut Literaturangaben treten Ameisengrillen besonders in wärmebegünstigten eher waldfreien Gebieten (allenfalls lichte Wälder) auf. Bewohnt werden Trockenrasen, Magerrasen, Gärten, Kiesgruben und Steinbrüche. In Nordrhein-Westfalen kommen als Ersatzstandorte z. B. Bahntrassen und -höfe, Brachland und stillgelegte Fabrik- bzw. Zechengelände in Frage. Zusätzlich zu einer ordentlichen Portion Wärme benötigen Ameisengrillen nur noch ein schönes belebtes Ameisennest. Da aber Ameisen in wärmeren Gebieten vermehrt vorkommen, gibt es genügend potentielle Standorte auch für Ameisengrillen.

Am Geo-Tag (06./07.06.2009) wurde die Ameisengrille z. B. auf einer Industriebrache der ehemaligen Zeche Robert Müser in Bochum-Werne nachgewiesen (www.botanik-bochum.de). Ich selber fand am 20.07.2010 ein Exemplar in Breckerfeld (etwa 40 km südlicher als der Bochumer Fundort) unter folgenden Fundumständen:
Beim Umtopfen einer Zierweide aus einem größeren Pflanztopf im eigenen Garten trat ein Ameisennest einer Lasius-Art im Wurzelballen der Weide zu Tage. Zwischen den eifrig hin- und herrennenden Ameisen fand ich die Ameisengrille, von der ich dann die hier gezeigten Fotos machen konnte. Der Garten befindet sich innerhalb von Breckerfeld am Rande einer Viehweide mit Streuobstwiese. Man könnte von ländlicher Umgebung mit Gartencharakter und strukturreichen kleineren Baumbeständen reden. Breckerfeld liegt mit einer Höhe von bis zu 440 m ü NN bereits am Rande des Sauerlands und ist sicher nicht als wärmebegünstigter Ort zu bezeichnen. Der Pflanztopf stand allerdings an einem unbeschatteten Standort und hat sich bei Sonnenschein deutlich schneller erwärmt als der Boden. Man könnte in diesem Zusammenhang von einem Mikrohabitat mit günstigeren Bedingungen als dem Klima des Gesamtstandortes sprechen.

Biologie und Lebensweise
Interessanterweise ist es bisher noch nicht gelungen männliche Ameisengrillen nachzuweisen, so dass man allgemein von einer parthenogenetischen (eingeschlechtliche Fortpflanzung mit Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen) Fortpflanzungsweise ausgeht.
Ameisengrillen halten sich vermutlich Großteile ihres Lebens in Ameisennestern auf. Die Eier werden einzeln im zeitlichen Abstand von mindestens 24 Stunden abgelegt. Da Ameisengrillen 2 Jahre für ihre Entwicklungszeit benötigen, treten ganzjährig erwachsene Tiere auf.



Hier können Sie sich die Ameisengrille in einem kleinen Video ansehen

Reinhard Weidlich - www.feuersalamander-dvd.de)

Aus eigener Anschauung kann ich berichten, dass die stark verdickten Hinterschenkel ein enormes Sprungvermögen ermöglichen. Beim Versuch, das Tierchen aus allernächster Nähe zu fotografieren, entschwand es mit einem kapitalen, an einen Flohsprung erinnernden, Satz aus meinem Sichtfeld.

Ameisengrillen sind auch gut zu Fuß und können mittels Wanderung gewisse Distanzen überbrücken. Während ihrer Entwicklungszeit können sie den Duftspuren ihrer Wirtstiere von einem Nest zum anderen folgen.
Im Umfeld dieser Lasius-Ameisen habe ich die fotografierte Ameisengrille gefunden. Die Lasius niger-Ameisen auf den Bildern 1-4 versuchen ihre Puppen und die auf den Bildern 5-6 eine Larve in Sicherheit zu bringen:

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 1

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 2

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 3

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 4

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 5

Lasius niger (det. Holger Sonnenburg) xxl-Foto 6


Die Ameisennester werden von den Ameisengrillen wirtsunspezifisch ausgewählt, so dass Lasius- (evtl. bevorzugt!?), Myrmica-, Camponotus-, Tetramorium-, Tapinoma- oder Formica-Arten als Wirtsnester in Betracht kommen. Ameisengrillen sind bisher in Nestern von ca. 20 verschiedenen Ameisenarten nachgewiesen worden. Es stellt sich natürlich die Frage, warum die Ameisen nicht gegen die Ameisengrillen vorgehen, insbesondere da diese ja als Parasiten die eigene Ameisenbrut verzehren. Die verblüffende Antwort sieht wohl so aus, dass sich Ameisengrillen mit dem kolononiespezifischen Nestgeruch der Ameisen tarnen können. Dies gelingt ihnen, indem sie das Kohlenwasserstoff-Profil ihrer Außenhaut regelmäßig der jeweiligen Ameisenart, mit der sie zusammenleben, anpassen (AKINO et al, 1996).

Nahrung
Zum Nahrungsspektrum der Ameisengrille sollen Ameiseneier, Ameisenbrut und kleine Pflanzenwurzeln gehören.
Das von mir gefangene Exemplar hatte ich einige Tage in einem kleinen Marmeladenglas mit Erde und einigen Ameisenpuppen gehalten. Ich konnte zwar den Fraßvorgang selber nicht beobachten, aber die Larven inkl. ihrer Hüllen sind spurlos verschwunden. Daraus kann man wohl ableiten, dass die Ameisengrille die Larven tatsächlich auch gefressen hat.

Verbreitung in D/Welt
Die nördliche Verbreitungsgrenze der Ameisengrille reicht bis zur Ostseeküste. In Deutschland sind Ameisengrillen insbesondere im Osten (Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern) nachgewiesen.
In Westdeutschland bisher eher selten gefunden, wie z. B. auf den Heiden des Nördlinger Ries und bei Karlsruhe (Baden-Württemberg), dem südlichen Niedersachsen und im Rheintal. In Süddeutschland in Bayern (z. B. in Nürnberg) vorkommend. Von Frankreich über Deutschland bis nach Russland verbreitet. In der Schweiz, Belgien, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und der französischen Lorraine wurde die Ameisengrille bislang nicht nachgewiesen.

Ameisengrillen sind nicht einfach zu finden. Sie sind sehr klein und mit dem bloßen Auge nur aus der Nähe zu erkennen. Außerdem leben sie in der Regel in der Erde in Ameisennestern. Man muss also schon gezielt auf der Suche sein, um fündig zu werden. Aus diesem Grund lassen sich auch keine verlässlichen Angaben über die Verbreitung der Art treffen. Nachzuweisen sind Ameisengrillen, indem man in geeigneten Biotopen Steine und Holzstücke umdreht und in den freigelegten Ameisennestern nach ihnen sucht. Bei dieser Praxis lässt es sich aber nicht vermeiden, dass Bodenlebewesen empfindlich gestört und auch versehentlich abgetötet werden. Deshalb werden solche gezielten Suchen aus Naturschutzgründen oft abgelehnt.
Auch wenn wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse fehlen, tauchen in der Literatur Vermutungen auf, dass sich Ameisengrillen entlang von Bahntrassen oder Flusstälern ausbreiten können.

In der Roten Liste der bedrohten Heuschreckenarten Deutschlands wird die Ameisengrille aufgrund fehlender Datengrundlagen mit dem Status G = "Gefährdung anzunehmen, aber Status unbekannt" geführt.

Verbreitung in NRW
Lange Zeit waren aus NRW nur einige wenige Fundpunkte von Kalkhalbtrockenrasen im Kreis Höxter bekannt. Dabei handelt es sich aber mit einiger Sicherheit nur um die Spitze des Eisbergs. In den letzten Jahren kamen Fundorte im Ruhrgebiet (Bochum) und am Rande des Sauerlands (Breckerfeld) hinzu (s. o.).
Verbreitungskarte der "Ameisengrille" der AK Heuschrecken NRW

Benutzte Literatur
AKINO, T., MOCHIZUKI, R., MORIMOTO M. & R. YAMOKA (1996): Chemical Camouflage of Myrmecophilous Cricket Myrmecophilus sp. to be Integrated with Several Ant Species. - Japanese Journal of Applied Entomology and Zoology 40 (1): 39-46.

BELLMANN, H. (2006): Der Kosmos Heuschreckenführer. Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Franckh-Kosmos Verlags-Gmbh & Co. KG, Stuttgart. 350 S.

BIERWIRTH, G. (1999): Die Ameisengrille Myrmecophelia acervorum. Die kleinste Heuschreckenart Deutschlands. Mitteilungen der Zoologischen Gesellschaft Braunau, Bd. 7, Nr. 3: 221-222

BÖNSEL, A. & S. MÖLLER (2008): Die Ameisengrille Myrmecophilus acervorum (PANZER, 1799) in Mecklenburg-Vorpommern. Articulata 2008, 23 (1): 81-87

JUNKER, E. & U. RATSCHKER (2000): Zur Verbreitung der Ameisengrille Myrmecophilus acervorum (Panzer (1799)), in Sachsen (Insecta, Ensifera, Myrmecophiludae). - Faunistische Abhandlungen Staatliches Museum für Tierkunde Dresden 22 (2): 11-21.

MAAS, S. , P. DETZEL & A. STAUDT (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands. Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Hrsg. v. Bundesamt f. Naturschutz. Landwirtschaftsverlag Münster. 401 S.

ROESTI, C. & B. KEIST (2009): Die Stimmen der Heuschrecken - mit DVD. Haupt-Verlag, Bern. 144 S.

WENDLER, A. , LORENZ, C. & J. HORSTKOTTE (1999): Heuschrecken. 13. unveränderte Auflage; Hamburg. HRSG.: Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung. 97 S.


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Weitere Informationen zur Ameisengrille und zu Heuschrecken (Saltatoria) im Internet
www.myrmecophilus.de: Ausführliches Literaturverzeichnis über Ameisengrillen und weiterführende Informationen

Wikipedia: Ameisengrille

www.dgfo-articulata.de: Arbeitskreis Heuschrecken NRW - Infos, Kontakte, Links, Artenlisten

Tier und Natur (Hans-Jürgen Martin): Informationen, Körperbau, Artenlisten...

Mark van Veen: Niederländische Seite mit Artenprofilen und Gesängen der Heuschrecken.


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